Donald Trump, der Mann, der nicht verlieren kann.
Herbstferien und Lockdown. Ich hatte befürchtet, die erste Novemberwoche würde eher langweilig werden. Was für eine Fehleinschätzung! Mit der Wahl des Präsidenten der USA war viel nervenzerfetzende Abwechslung geboten. In der Zeitung stand es wäre ein „Wahlkrimi“. Wird beim Krimi nicht am Ende der Verbrecher ertappt und eingesperrt? Mir war klar, dass es lange dauern könnte, bis ein Ergebnis feststeht. Trotzdem befiel mich bereits am Dienstag, lange bevor in den USA die ersten Wahllokale öffneten eine eigenartige Unruhe. Meine Frau und ich gingen ganz vernünftig nach den Spätnachrichten ins Bett. Als draußen die ersten Amseln zwitscherten, suchte ich zwei Stunden nach verfügbaren Informationen zum Stand der Auszählung. Aber Mittwochmorgen war nur klar, dass es noch sehr lange dauern würde, bis Klarheit herrschen wird. Trump hatte auf jeden Fall in den meisten umstrittenen Staaten die Nase knapp vorne. Ich dämmerte in einen unruhigen Schlaf und träumte von roten Elefanten und blauen Eseln. (Beide leicht angegraut.) Zum Frühstück verkündete meine älteste Tochter, dass Donald Trump sich gerade zum Sieger ausgerufen hatte. Also Fernseher an und mit dem Marmeladenbrot auf die Couch. Und da faselte ein offensichtlich beleidigter 45. Präsident der USA davon, dass er „offen gesagt“ die Wahl gewonnen hätte und die anderen ihm seinen Sieg stehlen wollten. Und deswegen sollte Amerika jetzt gleich mit dem Wählen und Zählen aufhören.
„Würde“ ist für manche nur ein Konjunktiv
Ich war gar nicht entsetzt. Noch nicht mal überrascht. Warum hätte dieser Mann ausgerechnet in einer Niederlage Größe und Würde entwickeln sollen? Woraus hatten „politische Beobachter“ die Überzeugung abgeleitet, Trump würde sich seinem Schicksal fügen, wenn er nicht wieder gewählt würde? Er hatte schon Wochen zuvor klar gemacht, dass er das Ergebnis nur im Falle seines eigenen Sieges anerkennen würde.
Trump beschuldigte seine Gegner des Wahlbetrugs. Er unterschied plötzlich in „legale Stimmen“ (solche für ihn) und „illegale Stimmen“ (solche für Biden). Er kündigte Klagen an, die ihm den Sieg bringen sollten, denn es musste ihm klar geworden sein, dass die Wähler sich ihm dieses Mal verweigert hatten. Noch mehr als vor vier Jahren. Denn – daran sei erinnert – auch Hillary Clinton hatte drei Millionen Stimmen mehr erhalten und war nur aufgrund eines Wahlsystems aus dem 18. Jahrhundert nicht die erste Frau an der Spitze der USA geworden.
Regeln übertreten ist inzwischen schick
Trump scheißt auf Demokratie und Fairplay. Lügen verbreiten, Häme über Gegner ausgießen, sich zum verfolgten Opfer stilisieren und den Willen der Mehrheit ignorieren; das ist seine Kunst. Erlittene Niederlagen niemals akzeptieren, sondern den Gegner mit absurden Klagen überziehen; das ist seine Strategie. Er hat sein Ego über die Interessen seines Landes gestellt und seine Wähler lieben ihn, weil er „sich nichts gefallen lässt“. Dass er sie auch verachtet und betrügt, ist Nebensache. Wird er am Ende des Wahlkrimis endlich erwischt, verhaftet und weggesperrt?
Nein, natürlich nicht. Einen Trump einzusperren ist schon lange keine Lösung mehr. Trump ist inzwischen überall. Er hat die Grenzen des Sag- und Machbaren bereits verschoben. Sein Stil wird längst kopiert und nachgeahmt. Nicht nur in den USA. Auch bei uns. Auch vor Ort.
Holger Ptacek, Fraktionssprecher