Erinnerungskultur

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Erinnerungen bilden das Fundament auf dem wir stehen. Wer wir sind und wie wir die Welt sehen, fußt auf dem was wir erlebt und gelernt haben.

Gemeinsame Erinnerungen schaffen darüber hinaus Gemeinschaft. Mit unserer Familie oder Freunden verbinden uns gemeinsame Erlebnisse. Nicht selten auch das, was wir zusammen durchleben mussten. Nicht nur schöne Erinnerungen geben uns Halt. Gemeinsam Not gelitten und überwunden zu haben, gibt Kraft und Zuversicht.

Schwierig sind Erinnerungen, die mit Schuld beladen sind. Auf eigene Fehler möchte man ungern wieder und wieder gestoßen werden. Der Wunsch zu vergessen ist nachvollziehbar, aber nicht die einzige Option. Die Psychologie unterscheidet zwischen einem negativen Schuldgefühl, das unser Handeln lähmt und einem positiven, dass uns motiviert unser Handeln zu überdenken und in Zukunft besser zu handeln. Hinzu kommt: Wer Unrecht erlitten hat will, dass man sein Leid anerkennt. Das ist ein wichtiger Schritt für das Heilen seelischer Wunden.

Was für den Einzelnen gilt, gilt auch für Gemeinschaften. Wie wir uns als Nation und als Gemeinde an die Vergangenheit erinnern, definiert unser Selbstverständnis und stellt Weichen für zukünftige Entscheidungen. Kompliziert ist auch hier der Umgang mit Schuld. Siebenundsiebzig Jahre nach dem zweiten Weltkrieg und dem Holocaust tut sich Pullach immer noch schwer mit dem öffentlichen Erinnern.

Auf der Hochleite, ganz im Süden der idyllischen Promenade, steht die Gefallenengedächtnisstätte. Darin sind die Namen der Pullacher auf Tafeln verewigt, die als Soldaten in den Weltkriegen gefallen sind. Darunter auch überzeugte Nazis und Kriegsverbrecher. Dagegen gibt es keinen Platz, der an die im Ort eingesetzten und bei einem Luftangriff getöteten, ukrainischen Zwangsarbeiterinnen erinnert oder an die von Pullachern gelynchten Besatzungsmitglieder eines alliierten Flugzeugs. Obwohl wir deren Namen kennen. Auch die deutschen Opfer aus Pullach bleiben unsichtbar. Erst Band 8 der Schriftenreihe „Pullacher Lebenswege: Geschichte der antisemitisch verfolgten Bevölkerung“ hat sie vor dem Vergessen bewahrt.

Seit über 15 Jahren findet man in Gemeinderat keine Lösung, wie man den Opfern gerecht werden soll. Es gibt die, welche am liebsten nichts tun würden, um nichts falsch zu machen. Aber auch die handeln wollen sind sich nicht einig. Ist es unerträglich an Opfer und Täter an einem Ort zu erinnern? Oder bedeutet räumliche Trennung die ausgrenzende Logik der Täter auch noch im Gedenken fortzusetzen?

Es wird Zeit, den Opfern einen angemessenen Platz in unserer Mitte zurück zu geben. Aus Respekt. Zur Warnung. Als Fundament für mehr Menschlichkeit in der Zukunft.