Gut gemeint statt gut gemacht
Am 16. April, zwölf Tage vor der letzten Sitzung, erreichte die Mitglieder des alten Gemeinderats ein Antrag mit folgendem Wortlaut: „Die Fraktionen der CSU, WIP und FDP im Pullacher Gemeinderat beantragen, in der nächsten Sitzung des Gemeinderates die zwei konstituierenden Sitzungen des neuen Gemeinderates live im Internet zu übertragen.“ Das Ziel war laut Antrag mehr Transparenz.
In einer Zeit, in der Kontaktbeschränkungen aufgrund einer Pandemie gelten, ist das ein nachvollziehbares Anliegen. Zwar sind die Sitzungen des Gemeinderats nach wie vor für Publikum geöffnet und die Presse berichtet wie immer, aber wer gerne selber erleben möchte, wie (und ob) sich der neue Gemeinderat zusammen findet und gleichzeitig das Risiko einer Ansteckung vermeiden möchte, bleibt außen vor. Und im 21. Jahrhundert, während Menschen in allen Lebenslagen Filmchen von sich und ihren Aktivitäten ins Internet stellen, erscheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis Gemeinderatssitzungen gestreamt werden. Ob man von Zuschauern beobachtet wird oder von einer Kamera, macht eigentlich keinen großen Unterschied. Aber es gibt Regeln, wie die Geschäftsordnung (GO) des Gemeinderats, und es gibt Rechte, wie das Recht auf die eigenen Daten und das eigene Bild, die man nicht einfach ignorieren kann. Am 18. April, zehn Tage vor der Sitzung, habe ich deshalb die Antragsteller hingewiesen auf § 21 Abs. 2 Sätze 3 und 4 der GO: "Ton- und Bildaufnahmen jeder Art bedürfen der Zustimmung der/des Vorsitzenden und des Gemeinderats; sie sind auf Verlangen eines einzelnen Mitglieds hinsichtlich ihrer/seiner Person zu unterlassen. Ton- und Bildaufnahmen von Gemeindebediensteten und sonstigen Sitzungsteilnehmer/innen sind nur mit deren Einwilligung zulässig." Aus dieser Bestimmung geht klar hervor, dass der alte Gemeinderat nicht die Kompetenz hatte, darüber abzustimmen, ob sich der neue Gemeinderat filmen lässt. Mein Vorschlag an die Antragsteller war, eine Übertragung technisch vorzubereiten und die Bereitschaft der künftigen Gemeinderäte und betroffenen MitarbeiterInnen des Rathauses sich filmen zu lassen, abzufragen. Ich habe auch gefragt, ob eine technische Umsetzung mit dem IT-Fachmann des Rathauses erörtert wurde. Eine Antwort auf meine Mail blieben die Antragsteller schuldig. Als ich selber am darauf folgenden Montag, 8 Tage vor der Sitzung, im Rathaus nachfragte, war der IT-Abteilung der Antrag gänzlich unbekannt. Der Antrag wurde in der Sitzung am 29. April vertagt, weil er in der gestellten Form unzulässig war. Ein irgendwie geartetes Bemühen der Antragsteller die Probleme, die sich bei dem Thema ergaben, auszuräumen, war nicht zu erkennen. Übrigens wurde von keinem der Antragsteller das Thema nach der Sitzung noch einmal aufgegriffen, um eine Lösung für den 12. Mai zu finden. Alles, was folgte, waren vergossene Krokodilstränen im Isar Anzeiger, dass die „nervigen“ Grünen (die neue 80er-Jahre-CSU) und die SPD gegen Transparenz sind. Ich denke, es ging nie ernsthaft um mehr Transparenz. Eher um fadenscheinige Argumente für einen durchsichtigen Versuch, den politischen Gegner vorzuführen. Und die zuletzt immer öfter – gerade von Juristen – vorgebrachte Neigung Recht und Gesetz für die Entscheidungen im Gemeinderat als unerheblich zu betrachten, empfinde ich als verstörend.