Wider das Freund-Feind-Denken im Rat
Seit mittlerweile 18 Jahren widme ich einen erheblichen Teil meiner Freizeit der Pullacher Kommunalpolitik. Als Sozialdemokrat in Bayern hat man's da nie besonders leicht. Ich hege nicht den Traum, dass sich in der Politik alle Akteure immer lieb haben müssen. Streit ist an sich nichts Schlechtes. Richtig verstanden ist es ein Wettbewerb um die besten Lösungen für komplizierte Probleme. Oft genug gibt es bei Entscheidungen in der Politik neben Gewinnern halt auch Verlierer. Interessen kollidieren fast automatisch. Streit ist deshalb notwendig und Harmonie nur ein Ausnahmezustand. Es gibt aber eine Grenze! Und die Grenze ist da überschritten, wo Streit nicht mehr um der Sache Willen stattfindet, sondern wo Streit nur noch der Außendarstellung dient. Wenn die Sachthemen zur Geisel einer parteipolitischen Machtpolitik werden, dann gibt es keine Gewinner mehr, sondern nur mehr Verlierer. Um das zu überwinden, muss man sich aus der Logik eines Freund-Feind-Denkens lösen. Wer seine Erfolge nach der Schwere der Niederlage der Konkurrenz bemisst, ist nicht fähig zum Kompromiss. Es ist wohlfeil, mit allgemeiner Kritik am Verfall der Sitten hausieren zu gehen und dabei nur mit dem Finger auf die politische Konkurrenz zu zeigen. Gerne gebe ich zu, dass ich kein Waisenknabe bin und nicht davor zurückschrecke, in einer Debatte oder einem Artikel pointiert zuzuspitzen. Es gibt nicht „die Guten“ auf der einen Seite und „die Bösen“ auf der anderen. Und es kann schon gar nicht sein, dass „die Guten“ immer nur auf einer Seite stehen – der eigenen. Aber was seit einiger Zeit im Pullacher Gemeinderat passiert, habe ich in 18 Jahren Kommunalpolitik noch nicht erlebt. Noch viel weniger habe ich es mir gewünscht. In meinen Augen ist das Projekt „konservativ-fortschrittliche Gestaltungsmehrheit“ im Kern der Versuch eine Blockademehrheit gegen die gewählte Bürgermeisterin zu bilden. Für diese Blockademehrheit wurde bislang schon über metaphorische Leichen gegangen. Der Riss verläuft längst nicht mehr allein zwischen den Parteien. Es zeigen sich auch schon Risse in einigen Fraktionen. Die Spannung hat bei einzelnen Gemeinderäten schon zu Zerreißproben und Verletzungen geführt. Die Appelle für ein faires und konstruktives Miteinander zu Beginn der Sitzungen klangen vor dem Hintergrund allesamt hohl.
Die Bürgermeisterstellvertreter sind gewählt. Als Kandidat um das Amt des Dritten Bürgermeisters bin ich Conny Zechmeister unterlegen. Das hält mich aber weder davon ab, ihr zur Wahl zu gratulieren, noch ihr das Beste für die kommenden sechs Jahre zu wünschen. Ich bin überzeugt, sie wird ihre Sache gut machen. Und das gleiche gilt über alle Parteigrenzen hinweg für den Zweiten Bürgermeister Dr. Andreas Most.
Ich äußere hiermit den naiven Wunsch, dass wir alle im Gemeinderat das Freund-Feind-Denken nach dem Wahlkampf für ein paar Jahre in die Mottenkiste packen und die Ärmel hochkrempeln, um uns den Sachthemen zu widmen. Und dass wir Erfolge nach der Anzahl der gefundenen Kompromisse zählen, statt anhand der Niederlagen, die wir den anderen zufügen.
Holger Ptacek